Restaurierungsarbeiten an einer textilen Wandbespannung

Herausforderung unserer Zeit

Treppenhäuser im Altbestand Berliner Mietshäuser weisen heute noch so manche elegante und auch zur damaligen Zeit nicht ganz billige Ausstattung auf. Dazu zählen Holzvertäfelungen, textile Wandbespannungen, geschmackvolle und strapazierfähige Tapeten, historische Malereien in unterschiedlichen Techniken, Stuckarbeiten, Fenster mit farblicher Bleiverglasung, Treppen in stilvoller Ausführung, historische Fußböden und anderes mehr. Vieles davon wurde in den letzten Jahrzehnten liebevoll restauriert, und so ist der Altbestand nicht nur wegen seiner behaglichen Räumlichkeiten, sonder auch wegen seiner angenehmen Treppenhäuser ein begehrtes Mietsobjekt.

Wir wissen alle, dass sich die höhere Lebensqualität von Altbauten heutzutage direkt am Immobilienmarkt niederschlägt. Durch substanzerhaltende Sanierungsmaßnahmen können im Altbaubestand beträchtliche Wertsteigerungen erzielt werden.
Unsere Firma, in guter Familientradition, war immer davon überzeugt, dass eines Tages der gesamte Altbaubestand in eine dem Erhalt der historischen Strukturen verpflichteten Stadtentwicklung einfließt. Heute sehen wir die gesellschaftliche Entwicklung an diesem Punkt, obwohl er politisch noch nicht abgesichert zu sein scheint.

Wandbespannung – immer eine Herausforderung

Die Restaurierung einer Wandbespannung in einem an hundert Jahre altem Berliner Mietshaus fiel auf uns und die Firma Michael Geisler aus Berlin. Das war natürlich eine Herausforderung. Textile Wandbespannung eines alten Berliner Mietshauses restauriert Dirk Busch Das gesamte Treppenhaus befand sich – abgesehen von partiellen Ausbesserungen – im Originalzustand. Die Wände im Eingangsbereich waren komplett mit einer gegliederten Wandvertäfelung ausgekleidet, in die ein angedeuteter Kamin mit darüber liegendem Spiegel und eine geschnitzte Holzbank eingelassen waren. Im oberen Bereich der Wandvertäfelung waren einzelne Felder mit Stoff bespannt, die durch Pilaster voneinander getrennt waren. Der Stoff im Eingangsbereich war ein Brokatell in einem beige/goldenem Farbton.

Bei einem Brokatell handelt es sich um einen historischen Stoff, der dem Brokat ähnelt, er wurde jedoch mit einem Zwei-Kettfadensystem gewebt und bekam dadurch eine leichte Reliefstruktur. Meist war er nur zweifarbig, ursprünglich mit einer Kette aus Seide und Leinen im Schuss. Bei der Wandbespannung auf den Treppenläufen und den Podesten war der Stoff, es handelt sich um ein in Jaquardtechnik hergestelltes Flachgewebe, von der Treppenwange unten bis an die Decke umlaufend über alle fünf Etagen gespannt. Während einige Felder noch gut aussahen, zeigten sich andere in einem völlig verschmutzten Zustand. Die Bespannung war teilweise eingerissen, der Molton war in sehr weiten Abständen angenagelt, vollkommen mürbe und oft eingerissen, so dass der Schmutz, über Jahrzehnte immer aggressiv, auf den Stoff übertreten konnte. Der Molton hat seinen Namen vom französischen „mollet“ für „dick und weich“ – womit schon fast alles gesagt wäre, denn es handelt sich um ein fülliges, weil beidseitig aufgerautes Baumwollgewebe mit einer hohen Dichte. Der Putz war im Bereich der Nagelungen perforiert und mürbe.

Restaurierung textile Wandbespannung

Restaurierte textile Wandbespannung

Restaurierungsarbeiten und Kompromisse

Unter Einbeziehung einer detaillierten Kalkulation unsererseits und in Absprache mit der Denkmalpflege und des Bauherrn wurden die notwendigen Kompromisse gefunden:

1.) Im Eingangsbereich werden nur zwei Stofffelder mit Originalstoff an einer zurückgesetzten Stelle bespannt, so dass hier der Originalstoff dokumentiert ist. Die restlichen Felder des Eingangsbereiches werden mit geeigneten Stoffteilen der Treppenläufe versehen.

2.) Der erste Treppenlauf und das erste Wohnungspodest werden mit dem gereinigten und zusammengesetzten Originalstoff bespannt.

3.) Aus Kostengründen werden die restlichen Treppenläufe und Podeste nur gestrichen.

Die Details der Ausführung wurden exakt als Text und Foto dokumentiert. Ein solches Dokument sollte immer Bestandteil eines Hausbuches sein. Dann ist es viel später, – in einer nächsten und übernächsten Generation -, wenn die Zeit ihren Tribut gefordert hat und wieder ein Mal etwas zur Erhaltung getan werden muss, einsehbar und gibt Hinweise über die auszuführenden Arbeiten

Fazit

Die Arbeiten an diesem Objekt sind für uns ein Beispiel, wie man auch mit geringeren finanziellen Mitteln und Kompromissen ein Denkmal zumindest in Teilen erhalten kann. Mit Aussagen über die Verarbeitung von gesäubertem Originalstoff sollte man allerdings vorsichtig sein. Im vorliegenden Fall waren bei der Einzelsichtung der Stoffbahnen die Schäden erheblich größer und komplizierter als das im Vorfeld im gespannten Zustand trotz intensiver Sichtung erkennbar war.

Wir haben uns darüber gefreut, dass die Hausbewohner und alle Beteiligen sehr zufrieden waren damit, dass das Ergebnis unserer Restaurierungsbemühungen, den Charakter des Originalzustandes nahezu perfekt widerspiegelt.