Polsterrestaurierung in Frankreich

Mein Erfahrungsbericht

Meine Ausbildung zum Raumausstatter mit dem Schwerpunkt Polstern machte ich in der Raumausstattung Busch – Berlin, der Firma meines Vaters, Das klassische Polstern lernte ich dort von meinem Vater und Großvater, welche viel Zeit in meine Ausbildung steckten und mir einen weitreichenden Einblick in das klassische Handwerk gewährten. Nach meiner Ausbildung wollte ich über unsere Landesgrenzen hinaus Erfahrungen im klassischen polstern sammeln, und entschied mich für ein Praktikum in Frankreich – gefördert durch das ➚ Leonardo-Programm.

Frankreich bietet dem Polstereihandwerk-Interessierten viel. Mein Praktikum habe ich in einem der renommiertesten Ateliers Frankreichs absolviert – bei ➚ Charles Jouffre in Lyon. Dieser arbeitet in der ganzen Welt für bekannte Modemarken, Designer und Architekten.

Dort gab es zwei verschiedene Bereiche, das Gardinenatelier und die Polsterwerkstatt. Ich arbeitete dort vier Monate in der Polsterwerkstatt. Das klassische Polsterhandwerk wird dort jedoch aufgrund der Kundenvielfalt im modernen Bereich, weitgehend stiefmütterlich behandelt. Es wird fast ausschließlich mit Schaumstoffen gearbeitet. Jedoch werden die Möbel immer mit hochwertigen Stoffen bezogen. Einen Sessel im Stile Louis XVI konnte ich jedoch traditionell polstern.

Ein sehr guter Lehrer dort – ein so genannter MoF, also jemand der sozusagen Landesmeister seines Handwerks ist und gleichzeitig auch Compagnon war, ließ mich tief in die traditionellen französische Polstertechniken eintauchen. Man kann ganz allgemein sagen, dass die alte Handwerkskunst des Tappissiers (bei uns vormals auch Tapezierer, und heute Raumausstatter genannt) gesellschaftlich mehr geschätzt wird, als in Deutschland.

Auch Menschen ohne hohes Einkommen, finden sich oft in den Polstereien Frankreichs ein, um ihr lieb gewonnenes Erbstück oder ein auf dem Trödel gekauften Schatz in handwerklicher Meisterkunst, mit traditionellen Techniken und Materialien, aufarbeiten zu lassen. Das hat zum einen etwas damit zu tun, das Gebrauchsmöbel in Frankreich einen anderen Stellenwert besitzen, aber auch weil die Vorliebe für altes und schönes eine Eigenschaft ist, die viele Franzosen inne haben. Flohmärkte können in Frankreich wahre Fundgruben sein, um Antiquitäten zu finden. Mit genügend Lust zum Handeln, kann man wahre Schnäppchen „schießen“.

Dementsprechend ist die Pflege des Wissens über alte Techniken auch stärker im Lehrplan der Lehrlinge und in der täglichen Praxis der Gesellen verankert. Von Sesseln des Barock bis hin zur Art Nouvo – bei uns Jugendstil – werden unterschiedliche Kanten geformt, die die jeweilige Möbelform logisch wiederspiegeln.

Das Wissen über diese verschiedenen Ausführungsmöglichkeiten zur Erarbeitung klassischer Polsterformen ist leider im restlichen Europa größten Teils verloren gegangen und jede Facon auf einem Gestell wird mit gleichen Mitteln angefertigt, und sieht so gut wie gleich aus.

Eine wichtige Institution zu Erhaltung dieser Techniken, ist eine Organisation namens „Compagnons“, dem französischen Wort für Geselle. Diese fast sektenartige Organisation versammelt Handwerker aus allen Sparten um sich, welche sich dann meist für viele Jahre verpflichten, dort zu arbeiten und zu lernen, um später das Handwerk in Perfektion zu beherrschen. Mittlerweile werden auch Frauen dort aufgenommen, was bis vor einem Jahrzehnt leider noch undenkbar war.

Eine weitere Institution ist das Atelier Mobilier National – die staatliche Einrichtung zur musealen Restaurierung oder zu Reflexion klassischer Möbel für den späteren Gebrauch. Ich hatte das Glück, dort für zwei Wochen arbeiten zu dürfen. Diese Erfahrung war eine der Interessantesten während meines gesamten Praktikums in Frankreich. Ich arbeitete im Atelier Reflexion, der Werkstatt, in der die alten Bestände der Möbel aus Schlössern, Botschaften und anderen stattlichen Einrichtungen für den Gebrauch aufgearbeitet wurden.

Ein besonderes Merkmal liegt in der originalgetreuen Aufarbeitung, also außschließlich mit klassischen Materialien und den damals angewandten Polstertechniken. Das wirklich Bemerkenswerte dort war die Ruhe. Dank der Tatsache, dass es eine staatliche Einrichtung ist, gibt es keinen Auftragsdruck. Somit kann jeder Angestellte sich die Zeit nehmen, die gebraucht wird, um das Möbel in perfekter Weise aufzuarbeiten.

Ich durfte einen kleinen Stuhl bearbeiten, ein feines Stück aus der Zeit des ersten Bürgerlichen Königs Louis-Phillippe um 1830, für dessen Fertigstellung ich neun Tage brauchte. Anschließend fragte ich den Werkstattchef, wie viel Zeit denn für einen normalen Angestellten gerechnet werden würde? Die Antwort erstaunte und erfreute mich sehr: „So viel wie gebraucht wird, um das perfekt zu machen, aber du bist ganz gut in der Zeit gewesen.“

Das sollte es bei uns auch geben, da Möbel immer ein kulturelles Erbe und Zeitzeugen der damaligen Geschmäcker und Vorlieben darstellen. Jedoch kann man das nur nachvollziehen oder verstehen, wenn die Möbel in gleichem Glanz wie damals strahlen, und eben nicht „irgendwie hingefummelt“ werden.

Maximilian Busch